Dritter Research³-Workshop zum journalistischen Umgang mit Daten

Der dritte Research³-Workshop beschäftigte sich mit der Rolle von Daten in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen und der Frage, wie der Journalismus sie einordnen und visuell aufbereiten kann.

Unter dem Motto „Journalisten – mehr als nur Statisten der Statistik: Strategien & Tipps zur Erhebung, Auswertung und Bewertung von Daten und Studien“ fand der dritte Research³-Workshop am 12. und 13. Mai in Kooperation mit dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) in den Räumlichkeiten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin statt. Eineinhalb Tage lang tauschten die Teilnehmenden aus Daten-, Wissenschafts- und Lokaljournalismus sich mit den anwesenden RRC-Vertreter:innen sowie Expert:innen aus Statistik, Wirtschaftswissenschaften und der journalistischen Praxis aus.

Statistik-Crashkurs und die Redaktionsperspektive

Der Workshop startete mit einem Impulsvortrag von RRC-Mitglied Pascal Berger, in dem er die Zuhörerschaft für einige Minuten in das Jahr 2020 zurückversetzte: Gezeigt wurde, wie während der Corona-Pandemie Datensätze zu Begriffen verdichtet wurden, denen eine zunehmende mediale und öffentliche Bedeutung zukam – beispielsweise der R-Wert oder der Inzidenzwert. Der Vortrag diente als Ausgangspunkt für zwei geleitete Gruppendiskussion, in denen sich die Teilnehmenden darüber austauschten, inwieweit derartige Daten und Begriffe innerhalb der Redaktionen besprochen wurden. Wie der Journalismus mit Daten umgehen kann und was die Wissenschaft in der Bereitstellung von Daten leisten kann und sollte, waren zentrale Themen der Gesprächsrunden. Der interaktive Diskussionseinstieg wurde in der Folge um eine theoretische Statistik-Perspektive ergänzt. Dazu hielt Henrike Weinert von der TU-Dortmund einen Vortrag über statistische Verfahren – und nach Median und Mittelwert kam das Mittagessen.

Henrike Weinert (TU Dortmund) referiert über Statistik in der journalistischen Praxis

Auf die Pause folgte ein praxisnahes Panel, in dem recht schnell klar wurde: Wie der Journalismus mit Daten umgeht, hängt stark von seinen internen Strukturen ab. Gibt es beispielsweise Datenteams oder müssen Allrounder alles können? Wie sollen die Daten visualisiert werden und wer kann die Daten überhaupt interpretieren? Welche Ressourcen stehen den Journalist:innen zur Datenverarbeitung zur Verfügung? Matthias Stahl vom SPIEGEL, Patrick Bernau von der FAZ und Anna Behrend vom NDR boten dazu ihre Perspektiven an. Gerade für den Umgang mit schwindeligen Evidenzen – einer unklaren Datenlage – erging der Rat: „Wenn möglich, die Rohdaten zeigen, Unsicherheiten visualisieren, Quellen angeben und Varianzen deutlich machen.“

Markus M. Grabka, Senior Researcher am SOEP, schloss schließlich das offizielle Programm des ersten Tages mit einem Vortrag über die Arbeit des Sozio-oekonomischen Panels. Auch er betonte, dass Daten transparent gemacht werden und vor allem kontextualisiert werden müssen. Dabei stellte er die besondere Position des SOEP heraus: „Wenn ich selbst mit den Daten arbeite, sehe ich, wo die Probleme sind.“ Zudem bekam die Runde der Versammelten die Möglichkeit, eine neue Datenschnittstelle des SOEP speziell für die Nutzung durch Journalist:innen vorab zu testen. Mit diesen spannenden Einblicken in die Arbeitsweisen des SOEP und zahlreichen konkreten Anwendungsperspektiven wurde die Runde schließlich in die Berliner Abendsonne entlassen. Trotz oder vielleicht gerade weil es ein Tag voller Input war, ging der Austausch bei einem gemeinsamen Abendessen angeregt weiter

Auf der Suche nach dem Kommunikationsrezept für alle Disziplinen

Zum Start des zweiten Workshop-Tages holten die RRC-Sprecher Holger Wormer und David Kaldewey, RRC-Mitglied Stefan Priester sowie Gert G. Wagner, ebenfalls Senior Researcher am SOEP, die Teilnehmenden mit einer angeregten Diskussionsrunde schon früh am Morgen ins Geschehen zurück. Oberthema war der Stellenwert und Umgang von und mit Daten im Vergleich zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen. Die Panelisten diskutierten die Schere zwischen der realen Welt und dem, was die Wissenschaft von ihr abbilden und analysieren kann – also welche Phänomene zu beobachten und welche von ihnen tatsächlich auf Basis einer einer Datengrundlage bewiesen werden können.

Laut Ansicht der Teilnehmenden stehen vor allem die Sozialwissenschaften, aber auch die Volkswirtschaftslehre vor dem Problem, dass sie weniger und schwieriger zu vergleichende Daten liefern können, als es beispielsweise die Medizin kann. Das bildeten wiederum die Medien ab. Wagner schloss dazu: „Es gibt leider kein Rezept dafür, wie sich Journalisten und Journalistinnen im VWL-Bereich orientieren können.“

Wenn aussagekräftige Daten, unabhängig vom jeweiligen Wissenschaftsbereich vorliegen, ist es an den Redaktionen, sie für ein breites Publikum zu veranschaulichen. Über den kreativen Prozess dahinter diskutierte im letzten Programmteil Aleksandra Vujadinovic, die sich am RRC unter anderem mit Wissenschaftsformaten und Darstellungsformen beschäftigt, mit den Teilnehmenden. Abschließend erinnerte RRC-Mitarbeiter Andreas Siess die Gruppe mit seinem Vortrag daran, dass nicht jede Studie gut ist, nur weil sie in einem hochrangigen Journal veröffentlicht wurde. Die Indizien für gute Daten, gute Studien und gute Wissenschaft sind vielfältig und können überfordernd sein, in erster Linie sind sie für Journalist:innen aber eine Orientierungshilfe im Publikationslabyrinth.

Die Teilnehmer:innen und Teammitglieder des RRC

Mit dieser hochaktuellen thematischen Brücke zwischen Wissenschaftsjournalismus, Datenjournalismus und Wissenschaftsforschung endete das RRC-Workshop-Angebot für Journalistinnen und Journalisten – zumindest vorerst. Beim nächsten Research³-Workshop im Herbst 2023 soll der Austausch mit Forschungsmanager:innen im Vordergrund stehen.


Der nächste Research³-Workshop findet am 13. Und 14. Oktober 2023 statt.