„A scientific look at your looks“ – oder: Schönheit, wissenschaftlich geschminkt

Dass Produkte mit wissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Studien beworben werden, ist bei vielen Unternehmen nicht unüblich. Einen besonders üblen Beigeschmack hat diese Marketingstrategie im Fall von kostspieligen „Schönheits“-Analysen, die im Netz viele Hunderttausend Follower finden. Wir haben uns den Fall einer australischen Firma angeschaut – und zeigen, wie der Anschein von Wissenschaftlichkeit zu profitorientierten Zwecken hergestellt wird.

Von Aleksandra Vujadinovic

Die Unternehmenswebsite und Instagram-Beiträge der Firma QOVES suggerieren mit Rückgriff auf wissenschaftliche Studien, dass die Veränderung des Aussehens zu mehr Erfolg in der Berufswelt und im Privatleben führe: Man zahle seltener Bußgeld bei Verstößen gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen; Arroganz werde als Selbstbewusstsein wahrgenommen und man könne auf mehr Bekanntschaften hoffen. Als Lösung bzw. ersten Schritt zu einem schöneren und somit erfolgreicheren Selbst bietet das Unternehmen Dienstleistungen wie die Analyse der Gesichtssymmetrie, des Haaransatzes oder gleich des gesamten Erscheinungsbildes an. Je nach Umfang der Analyse belaufen sich die Kosten auf 150 bis 300 US-Dollar. Das besondere Versprechen der Firma: Man sei dort nicht nur unabhängig von Schönheitskliniken, sondern respektiere bei der Analyse auch die Individualität des Menschen und seine jeweilige Ethnie.

Diese Grundidee erscheint zunächst emanzipatorisch. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass letztlich doch mit Stereotypen argumentiert wird und Studien fehlerhaft interpretiert werden. Ein anschauliches Beispiel liefert der Beitrag Tunisien Faces, der am 3. September 2024 auf der Firmenwebseite veröffentlicht wurde. Die Attraktivität tunesischer Frauen wird darin zunächst stereotypisiert: Tunesian women’s „eyebrows are usually well defined often dark and naturally thick“. Diese Aussage wird anschließend in Zusammenhang mit einer über 16 Jahre alten Studie zur allgemeinen Attraktivität von Augenbrauen gestellt, um zu behaupten, dass Teilnehmer:innen unter 30 Jahren ‚dickere‘ und ‚maskulinere‘ Augenbrauen bei Frauen als attraktiv wahrnehmen würden. Die zitierte Studie selbst sagt dabei nichts über solche Zuschreibungen aus, sondern unterscheidet allein zwischen den Positionen „low“, „high“ und „arched“. Die in der Studie verwendeten Bilder zeigen zudem keine Variation in der ‚Dicke‘ von Augenbrauen. Die Bewerbung verstärkt diese Deutung schließlich, indem die Interpretation auf stereotype Merkmale einer Ethnie reduziert wird: Die vermeintlich ‚dickeren‘ und ‚maskulineren Augenbrauen‘ tunesischer Frauen würden maßgeblich zu ihrer Attraktivität beitragen. Die Studie betont: „There is not one single beauty ideal for eyebrows…“ Eine solche Stereotypisierung fällt im Übrigen auch den Rezipierenden auf: In den Kommentaren wird vermehrt die Verallgemeinerung eines Schönheitsideals abgelehnt.

Das schadet der Beliebtheit dieses Beitrags jedoch offenbar nicht. Während andere Beiträge des Unternehmens um die 10.000 Likes erhalten, weist der Tunisian Faces-Beitrag 130.000 Likes auf. Gemessen an der Zahl der Follower gehört QOVES ohnehin zu so genannten ‚Makroinfluencern‘: Bei Instagram sind es 582.000 (537.500 bei TikTok und 758.000 bei YouTube; Stand 25.09.2024). Veröffentlicht werden Bild- und Videobeiträge zu Gesichtern von Stars – und von Menschen, die gewissen Schönheitsidealen entsprechen oder dies eben gerade nicht tun. Die Gesichter werden dann mit Rückbezug auf Studien analysiert (wie im Fall Tunisian Faces), um mutmaßliche Gründe für ihre Attraktivität herauszuarbeiten. Oder es werden mit Bildbearbeitungsprogrammen Varianten der Gesichter anhand vorherrschender Schönheitsideale erstellt, um die Wirkung der optischen Veränderungen ebenfalls mit wissenschaftlichen Studien zu belegen: Einerseits können Vorher-Nachher-Bilder als Inszenierung eines analytischen und wissenschaftlich fundierten Vorgehens kognitionswissenschaftlicher Studien erscheinen, denn die Berichte suggerieren ein wissenschaftliches Vorgehen. Andererseits sind Vorher-Nachher-Bilder grundsätzlich ein erfolgreiches mediales Phänomen, das in gleicher Weise seit längerem im Rahmen von Beautyshows des Privatfernsehens Einsatz findet – und auch in der Social Media-Praxis von Instagram häufig vorzufinden ist. In all diesen Beispielen wird das Bedürfnis geweckt und der Anspruch vermittelt, immer weiter an sich selbst (d.h. an seinem körperlichen Erscheinungsbild) zu arbeiten – notfalls auch chirurgisch.

Bei ihren Beiträgen bedient sich die Firma zudem einer wissenschaftlichen Sprache, zeigt Grafiken aus zitierten Studien und eigens erstellte analytisch anmutende (Bewegt-)Bilder. Ausschnitte des Gesichts werden dazu beispielsweise visuell hervorgehoben, laborartig isoliert und mit Schlagworten versehen. Die Website enthält zudem eine Fülle von Literaturverweisen. Allein auf der Unterseite „1. Why should I improve my looks?“ sind es 28 Literaturzitate. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Studien der Kognitionspsychologie, Ökonomie und vereinzelt auch der Ethik und Politik. Die entsprechenden Studien, in denen etwa generelle Aspekte des menschlichen Verhaltens erforscht werden, sollen dann individuelle Handlungsempfehlungen bekräftigen, die dann in Form von Berichten verkauft werden. Es handelt sich also um ein Geschäftsmodell, das auf einer Art Suggestion von Wissenschaftlichkeit beruht, die durchaus komplex inszeniert und daher nicht leicht zu durchschauen ist. 

Immer wieder findet diese Geschäftspraxis ‚schöner Scheinwissenschaft‘ letztendlich auch den Weg in die Boulevardberichte einzelner Massenmedien. So wird Firmengründer Shafee Hassan im genannten Beispiel zunächst in der New York Post als „facial analyst“ eingeführt und später in einem teilweise fast wortgleichen Beitrag im Wissenschaftsteil der österreichischen Boulevardzeitung Heute als „Gesichtsanalytiker“ und „Experte“ bezeichnet. (https://www.heute.at/s/experte-wir-werden-mit-jeder-generation-haesslicher-100284549). Beide Beiträge berichten von einem TikTok-Clip und der darin aufgestellten Hypothese, dass Menschen aufgrund ihrer modernen Lebensweise weniger attraktiv seien als im vergangenen Jahrhundert. Hassans Argumente stammen hier aus dem Gebiet der Kieferorthopäde. Was er eigentlich studiert hat: zwei Bachelorstudiengänge (Structural Engineering und Anthropology). Seine Expertise scheint wenigstens unpassend, wenn nicht sogar zweifelhaft zu sein. Dem kritischen Wissenschaftsjournalismus sind derartige Praktiken bislang weitestgehend entgangen. Dabei eignet sich dieser Fall besonders gut dazu, die Zuschreibung wissenschaftlicher Expertise noch einmal ausführlicher zu diskutieren und möglicherweise unlautere Geschäftsversuche zu entlarven.