Von Aleksandra Vujadinovic
München, Tübingen, Rhein-Ruhr: Alle Wege führten im Mai 2024 nach Kiel! In gewisser Weise gilt Ähnliches auch für die Wissenschaftskommunikation: „Immer alle sofort“ (meist mit neuesten Studienerkenntnissen) erreichen zu wollen, ist oft das Ziel kommunizierender Forschender und ihrer Institutionen. Die Teilnehmenden der vier Zentren für Wissenschaftskommunikationsforschung waren sich bei ihrem Netzwerktreffen aber bereits bei einer ersten öffentlichen Podiumsdiskussion weitestgehend einig: Die unmittelbare Kommunikation neuer Erkenntnisse mag für die Genannten soziokulturell und ökonomisch attraktiv sein, doch ist bei der Wahl des Zeitpunkts der Kommunikation Fingerspitzengefühl gefragt. Für wen kann diese Information unmittelbar relevant sein und gibt es bei aller spontanen Euphorie unter den Forschenden überhaupt einen Anknüpfungspunkt im öffentlichen Diskurs? Eine aktuelle Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift mag für die Forschenden einerseits eine „Top-Nachricht“ sein, für die breitere Öffentlichkeit ist sie es andererseits jedoch vielleicht erst zu einem ganz anderen Zeitpunkt.
Von Anfang wurde so deutlich, dass mit einer solchen Perspektive auf Wissenschaftskommunikation einmal mehr der Fokus auf deren Zielgruppenbestimmung gelegt werden sollte. Wie bei der Analyse potenzieller Zielgruppen üblich, hatten sich die Gastgeber des Kiel Science Communication Networks dazu entschieden, antizipierte Vorstellungen über potenzielle Nutzer in den Vordergrund zu stellen. Mittels so genannter „Personas“, hinter denen sich gewissermaßen prototypische Adressaten verbergen, die stellvertretend für einen bestimmten Bevölkerungstypus (Alter, Geschlecht, Beruf, Herkunft, Milieu, Interessen etc.) erscheinen, wurden entsprechende „Segmente“ für Wissenschaftskommunikation als erprobte Hilfsmittel der Zielgruppenforschung reflektiert: „Sciencephiles“ ebenso wie „Disengaged People“, „Passive Supporters“ ebenso wie „Critically Interested“. Wie können mit dem Wissen um derartige Gruppen Wissenschaftskommunikationsprodukte gestaltet werden, die diese jeweils möglichst zielgenau erreichen? Wer kann sich überhaupt mit solchen „Personas“ und „Segmenten“ identifizieren? Ist nicht eher eine wesentlich größere Komplexität bei deren Darstellung essenziell, um die Vielfalt einer Gesellschaft auch in der Wissenschaftskommunikation abzubilden?
Nach intensiven Gruppenarbeitsphasen wurden beim Treffen in Kiel vor allem Multiplikatoren bzw. Mediatoren als entscheidende Figuren für eine effiziente Kommunikation von Wissenschaft identifiziert. Ein solcher Multiplikator könne hierbei durchaus auch zum Beispiel die Bürgermeisterin sein, zu der Bürger*innen ein Vertrauensverhältnis haben. Oder es könne sich um eine Person in einem Flüchtlingslager handeln, der eine besondere Rolle zukommt, da durch sie ebenfalls ein Vertrauensverhältnis entsteht. Auch könne dies eine Lehrperson leisten, die in der Schule ggf. auch jene zu erreichen vermag, die sich eben gerade nicht zur „Langen Nacht der Wissenschaft“ an eine Universität wagen. Über solche Multiplikatoren (als Mediatoren) sei es immer wieder neu möglich, bisher unerreichte Gruppen wenigstens effektiver anzusprechen. Im besten Fall sind solche Mediatoren schließlich dazu fähig, Wissen geradezu sensibel einer ihnen besonders vertrauter Gemeinschaft zu vermitteln – und ihr auf diese Weise überhaupt den Zugang zu Wissenschaft zu erleichtern.