RRC-Workshop zur Bewertung von Expertise

Der zweite Research³-Workshop des Rhine Ruhr Center for Science Communication Research beschäftigte sich mit der Frage, wie Wissenschaftsjournalist:innen die Arbeit wissenschaftspolitischer Beratungsgremien einordnen und bewerten können.

Nach dem Auftakt am Bonner RRC-Standort im Frühsommer 2022 fand der zweite Research³-Workshop des Rhine Ruhr Center for Science Communication Research am 16. und 17. Oktober 2022 in Bremen statt. Der Zeitpunkt war so gewählt, dass die anwesenden Wissenschaftsjournalist:innen ihre Teilnahme direkt an die im Anschluss stattfindende „WissensWerte“-Messe für Wissenschaftsjournalismus und Wissenschaftskommunikation anschließen konnten. Auch das RRC präsentierte sich in diesem Rahmen auf einem eigenen Panel.

Wie können Wissenschaftsjournalist:innen die wissenschaftliche Politikberatung kritisch beobachten?

Ziel des Workshops war es diesmal, gemeinsam mit den anwesenden Wissenschaftsjournalist:innen und RRC-Mitgliedern Strategien für den journalistischen Umgang mit wissenschaftspolitischen Expertengremien zu entwickeln. Den Ausgangspunkt bildete dabei ein Impulsvortrag von Pascal Berger, der den Anwesenden das Medienecho rund um die Veröffentlichungen des Corona-Sachverständigenausschusses und des Corona-ExpertInnenrates der Bundesregierung präsentierte. An den Vortrag schloss sich eine geleitete Gruppendiskussion in mehreren Kleingruppen an.


Im zweiten Teil des Tages ging es stärker in die Praxis: Moderiert von den RRC-Sprechern Holger Wormer und David Kaldewey gab Christina Berndt, Wissenschaftsredakteurin der Süddeutschen Zeitung, einen Einblick in ihre redaktionelle Arbeit. Im Sommer diesen Jahres hatte sie in einem Artikel den Corona-Sachverständigenausschuss stark kritisiert. Unter Berufung auf eine interne Quelle schrieb sie über die Qualität seiner Ausstattung und Arbeit. Während des Workshops erzählte sie von der Recherche und den Folgen.


Dieser „Werkstattbericht“ ging anschließend fast nahtlos in eine Podiumsdiskussion über, die Viola Priesemann und Jutta Allmendinger – zwei führende Köpfe der Corona-Politikberatung – mit ihren Vorträgen eröffneten. Allmendinger ist Vertreterin des Sachverständigenausschusses und Viola Priesemann gehört dem Corona-ExpertInnenrates der Bundesregierung an. „Unter drei“ nahmen die Wissenschaftlerinnen zu vielen Fragen sehr konkret Stellung. Egal ob Machtdynamiken und Verhältnisse zwischen Disziplinen und Personen, Transparenzfragen und ideologische Besetzungsentscheidungen – das Panel bot eine ganze Reihe anekdotischer Einblicke, die zu einem besseren Verständnis der Arbeit wissenschaftspolitischer Beratungsgremien beitragen dürften.
Inspiriert von zahlreichen Praxiseinblicken und Diskussionsimpulsen waren die Teilnehmenden zum abschließenden Teil des ersten Workshop-Tages selbst gefordert: In umgekehrter Rolle sollten sie einen kompetent besetzten Expertenrat zum Thema „Nuklearenergie als Brückentechnologie“ zusammenstellen – ganz wie im redaktionellen Alltag: unter Zeitdruck. Die Besetzung des fiktiven Gremiums sollte dabei sowohl die Bandbreite der relevanten Disziplinen berücksichtigen als auch die individuelle Expertise der vorgeschlagenen Persönlichkeiten. Nach dieser Gruppenübung gingen die Diskussionen beim informellen Abendausklang noch lange weiter.

Zum journalistischen Umgang mit wissenschaftlichem Pluralismus

Am zweiten Workshop-Tag präsentierten die Gruppen zunächst die Ergebnisse Ihrer Gremienbesetzung – mit teils sehr unterschiedlichen und spannenden Ergebnissen. Holger Wormer, David Kaldewey und Pascal Berger kommentierten die Zusammenstellungen und bemühten sich im Anschluss um eine wissenschaftssoziologische Einordnung der Praxisübung.


In seinem abschließenden Vortrag wies David Kaldewey explizit darauf hin, dass sich aus soziologischer Perspektive verschiedene Varianten des wissenschaftlichen Pluralismus ausmachen lassen. Neben epistemischer Diversität in Form von verschiedenen akademischen Disziplinen könne es sich für Journalist:innen somit auch lohnen die soziale und politische Diversität von einflussreichen Organen wissenschaftlicher Politikberatung in den Blick zu nehmen.


Mit diesem Impuls und vielen weiteren Eindrücken starteten die Workshop-Teilnehmenden, -Organisatorinnen und -Organisatoren in die 29. „WissensWerte“, die 2022 endlich wieder in Präsenz stattfinden konnte. Sicherlich konnten viele der angeschnittenen Themen hier in Einzel- und Gruppengesprächen mit einer Tasse Kaffee weiter vertieft werden.


Der nächste Research³-Workshop findet voraussichtlich im Frühjahr 2023 statt.