Von Moritz Engel
Seit 2020 tragen bundesweit zehn Universitäten und ein Universitätsverbund das Label „Exzellenzuniversität“ bzw. „Exzellenzverbund“. Für die betreffenden Hochschulen bedeutet dies nicht nur einen Prestigegewinn, sondern auch finanzielle Unterstützung: Zusätzlich zu den Mitteln für die „Exzellenzcluster“ stehen ihnen jährlich 148 Millionen Euro zur Verfügung. Ab 2027 sollen nach einem kompetitiven Auswahlprozess bis zu vier weitere Universitäten in die ExStra-Förderung aufgenommen werden.
Wer sich ein wenig in die Bund-Länder-Erklärung zur ExStra eingelesen hat, kennt die Ziele und den Fokus des Programms: Es geht um „wissenschaftliche Spitzenleistungen, Profilbildung und Kooperationen“, also primär um Forschung. Die Lehre spielt dagegen offiziell keine Rolle, wenngleich sie gelegentlich pflichtschuldig erwähnt wird. Dennoch ist es durchaus denkbar, dass die Exzellenzförderung auch Auswirkungen auf die Lehre hat – etwa im Zusammenhang mit der Studierendenzahl. Dabei stellt sich auch die Frage, inwieweit das Label „Exzellenzuniversität“ den (nationalen und internationalen) Wettbewerb um Studierende beeinflusst.
Eine Möglichkeit, diese Frage zu adressieren, ist ein Vergleich der Entwicklung der Studierendenzahlen an „Exzellenzuniversitäten“ einerseits und ähnlichen, (noch) nicht offiziell als „exzellent“ markierten Universitäten andererseits. Ausgehend von dieser Überlegung wurden zwei Samples gebildet: Das „Exzellenzsample“, das alle bereits ausgezeichneten Universitäten umfasst, sowie ein Vergleichssample mit allen weiteren Universitäten, die Mitglied der German U15 oder der TU9-Allianz sind. Auf diese Verbünde wurde zurückgegriffen, da beide betonen, „führende“ und „forschungsstarke“ Universitäten zu vereinen, was ein grundsätzlich ähnliches Selbstverständnis wie das der „Exzellenzuniversitäten“ widerspiegelt.
Exzellenzsample | Vergleichssample | ||
FU Berlin | 37.987 | TU Braunschweig | 16.077 |
HU Berlin | 45.808 | TU Darmstadt | 24.008 |
TU Berlin | 35.182 | U Frankfurt | 41.107 |
KIT | 22.201 | U Freiburg | 24.197 |
LMU | 52.086 | U Göttingen | 27.026 |
RWTH Aachen | 45.527 | U Hannover | 27.234 |
TU Dresden | 27.799 | U Köln | 48.075 |
TU München | 53.225 | U Leipzig | 30.039 |
U Bonn | 34.627 | U Mainz | 29.617 |
U Hamburg | 41.800 | U Münster | 42.458 |
U Heidelberg | 29.534 | U Stuttgart | 21.141 |
U Konstanz | 10.472 | U Würzburg | 26.126 |
U Tübingen | 28.238 | ||
464.486 | 357.105 |
Eine erste Betrachtung der Studierendenzahlen der beiden Samples zeigt: Bereits im Jahr 2000 lag die Zahl der Studierenden an den späteren „Exzellenzuniversitäten“ mit rund 355.000 etwa 36.000 über der des Vergleichssamples (ca. 319.000). Anfangs pendelte sich diese Differenz zwar bei etwa 55.000 ein, doch insgesamt ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Beide Gruppen verzeichnen zwischen 2003 und 2007 einen Studierendenrückgang, bevor sie wieder zu wachsen beginnen – bis es ab etwa 2018 zu einer spürbaren und wachsenden Entkopplung kommt. Während das Exzellenzsample weiterhin an Studierenden hinzugewinnt, sinken die Studierendenzahlen im Vergleichssample zwischen 2017 und 2023 um rund 33.000 – ein deutlicher Rückgang. Zum Wintersemester 2023/24 weist das Exzellenzsample mit nahezu 465.000 Studierenden 110.000 mehr auf als die Universitäten des Vergleichssamples. Seit 2007 können nahezu konstant positive Wachstumszahlen verzeichnet werden (siehe Abbildung 1).

Auf den ersten Blick fällt somit die wachsende Differenz zwischen den beiden Samples mit der 2018/19 neu ausgerichteten „Exzellenzstrategie“ zusammen. Vor dem Hintergrund des potenziellen Reputationseffekts gilt es aber, diese hochaggregierten Daten genauer zu betrachten. Dies ist im Rahmen dieses Blogs nur eingeschränkt möglich; es soll aber zumindest ein Aspekt vertieft werden: das Verhältnis der Entwicklung der Anzahl der internationalen und der deutschen Studierenden. Betrachtet man diese im Detail, zeigt sich, dass die Zahl deutscher Studierender an den Universitäten in beiden Samples ab 2017 rückläufig ist. Hier unterscheiden sich Exzellenz- und Vergleichsuniversitäten also kaum – abgesehen von den konstant ca. 4.000 mehr deutschen Studierenden an Exzellenzuniversitäten. Anders verhält es sich bei den internationalen Studierenden: Beide Gruppen starteten um das Jahr 2000 mit jeweils knapp 40.000 internationalen Studierenden und bauen diese Zahl zunächst auf rund 50.000 aus. Ab etwa 2011 setzt bei den „Exzellenzuniversitäten“ allerdings ein sprunghaftes Wachstum ein, das sich bis heute fortsetzt. Mittlerweile gibt es fast 110.000 internationale Studierende an „Exzellenzuniversitäten“, während das Vergleichssample weniger stark zulegt hat (siehe Abbildung 2).

Ohne den Zulauf aus dem Ausland würden also auch die „Exzellenzuniversitäten“ schrumpfen. Betrachtet man nur die inländischen Studierenden, sind auch sie, ähnlich wie die Universitäten des Vergleichssamples, seit 2016/17 von sinkenden Zahlen betroffen. Dieser Befund spiegelt sich deutlich in der Gegenüberstellung der Differenzen beider Gruppen: Betrachtet man ausschließlich die Zahl deutscher Studierender, so bleibt die Differenz kleiner, während sie sich mit Hinzunahme der internationalen Studierenden 2023 mehr als verdoppelt.
Es ist eine hochschulpolitisch spannende Frage, ob und inwiefern der Anstieg der Studierendenzahlen – vor allem international – auf das „Exzellenz“-Label zurückzuführen ist. Aus der vorliegenden Korrelation allein folgt, wie immer, noch kein Beweis für eine Kausalität. In Anbetracht der Daten ist es jedoch zumindest nicht unplausibel, einen Reputationseffekt zu vermuten, der diese Hochschulen für Studieninteressierte weltweit sichtbarer und attraktiver macht.
Die Daten zeigen: Die ExStra hinterlässt mit ihrer zweiten Förderlinie wohl auch Spuren im Hörsaal. Das zusätzliche Wachstum ist aus hochschulpolitischer Sicht grundsätzlich positiv, müsste allerdings mit einer soliden Lehr- und Betreuungsinfrastruktur einhergehen. Soll der Ruf als „exzellenter“ Wissenschaftsstandort dauerhaft gesichert werden, tun die Universitäten gut daran, sich nicht nur an ihren Forschungsleistungen, sondern auch an der Qualität ihrer Lehre und Studienangebote messen zu lassen. Kurzum: Es braucht Exzellenz auch für Studierende!