Von Tobias Kreutzer
KI-basierte generative Sprachmodelle wie ChatGPT haben die Diskussion um ‚Künstliche Intelligenz‘ in geradezu allen Lebensbereichen intensiviert. Auch die Wissenschaftskommunikation ist davon auf mehreren Ebenen betroffen: Denn nicht nur die Kommunikation von Wissenschaft verändert sich durch derartige Anwendungsmöglichkeiten – auch die innerwissenschaftlichen Prozesse der Erkenntnisproduktion, der Begutachtung und der Dokumentation bleiben keineswegs unberührt.
Vor diesem Hintergrund widmete die Fachgruppe Wissenschaftskommunikation der DGPuK ihre diesjährige Jahrestagung „Science Communication in the Age of Artificial Intelligence“ dem hochaktuellen Thema. In den Räumlichkeiten der ETH Zürich und der Universität Zürich trafen sich mehr als 120 Teilnehmende aus Forschung und Praxis für eineinhalb Tage, um ihre unterschiedlichen Perspektiven auf KI und Wissenschaftskommunikation auszutauschen. Die verschiedenen Panels behandelten so vielfältige Themenaspekte wie etwa „Public Perceptions of AI“, „Opportunities of AI Imagery“ oder bis hin zu „Communicating with AI in Science Journalism and Science Communication“.
Neben intensiver Empiriearbeit und neuen Erkenntnissen zu Vertrauen in und Umgang mit KI in verschiedenen nationalen Kontexten waren die Panels und Keynotes auch für den Komplex von Wissenschaftsforschung und Wissenssoziologie anschlussfähig. So präsentierten Michelle Riedlinger und Marina Joubert erste Ergebnisse zur Thematisierung von KI-Anwendungen in den Autorschafts-Leitlinien wissenschaftlicher Verlagshäuser. Christoph Neuberger stellte in seiner Keynote “How AI Is Changing the Knowledge Order of Society” die Frage, ob (generative) KI Trends zirkulärer Wissensordnungen weiter verstärke oder aber eine Trendumkehr zurück zu linearen Wissensordnungen denkbar sei. Erstaunlich wirkte der bedingungslos fortschrittsgläubige Blick im Vortrag „Communication and Building Public Trust in AI-Powered Applications” von Shirley S. Ho, Professorin an der Nanyang Technological University Singapore. Ein Duo des Züricher Improvisationstheaters „anundpfirsich“ hielt der Wissenschafts-Community bei der Abendveranstaltung dann humorvoll den Spiegel vor – und zeigte zum Beispiel mit einer KI-assistierten Liebeserklärung einige nachdenklich stimmende Szenarien dieser Technologie auf.
Wer den Mitarbeitenden daheim oder der Familie von alldem berichten wollte, konnte – passend zum Oberthema der Tagung – eine entlang des eigenen Vortrags-Abstracts von ChatGPT gestaltete Gruß-Postkarte verschicken, wobei sich die vorgegebene Stilrichtung der Karten je nach zeitlicher Verortung im Programmablauf von „Barock“ bis „Pop Art“ veränderte. (Unsere Abbildung zeigt beispielhaft die Postkarte zum Vortrag „Developing quality criteria for AI reporting: A modular design for journalism practice and science communication“, den die RRC-Mitglieder Holger Wormer, Tobias Kreutzer sowie Marcus Anhäuser, „Scientist in Residence“ an der TU Dortmund, über ihr Projekt „Medien-Doktor KI“ präsentierten).
Klar war, dass im Verlauf der Jahrestagung nicht alle Aspekte eines derart großen Themas erschöpfend behandelt werden konnten. Auch sehr grundsätzliche Fragen – zum Beispiel danach, ob KI in Anlehnung an Elena Esposito nicht richtiger als „artificial communication“ anstelle von „artificial intelligence“ bezeichnet werden sollte oder inwieweit gängige Vertrauenskonzepte der Wissenschaftskommunikationsforschung überhaupt zum Beispiel auf Chatbots angewendet werden können – bedürfen auch in Zukunft der weiteren interdisziplinärer Auseinandersetzung. Gleiches gilt für Regulierungs- und Rechtsfragen, die viele im Fach vielleicht auch angesichts der Euphorie über die neuen Möglichkeiten bei den Beiträgen für diese Tagung eher ausgeblendet zu haben schienen. Oder anders ausgedrückt: Grautöne waren auf den bunten Tagungs-Postkarten eher selten zu sehen.