Von David Kaldewey
Wer sich für die Forschungsanträge der Kolleg:innen der eigenen Universität interessiert und diesen viel Erfolg wünscht, lebt mitunter gefährlich. Im Falle der Exzellenzstrategie kann das zu Verstimmungen führen. Was war geschehen? Anlass war ein Post auf LinkedIn, mit dem ich den fünf Teams, die mit Bonner Beteiligung neue Skizzen für Exzellencluster eingereicht hatten, die Daumen drückte mit Blick auf die anstehende Entscheidung. Von einem Kollegen erhielt ich wenig später den Hinweis, dass mein Post die Hochschulleitung „irritieren” könnte: die Zahl werde offiziell nicht genannt. Ob sie tatsächlich geheim gehalten werden sollte, weiß ich nicht. Und wenn ja, wäre diese Strategie der Geheimhaltung wiederum so geheim, dass ein ganz normaler Professor ohne unmittelbaren Draht in den inneren Zirkel der Macht nichts davon hätte wissen können.
Wie dem auch sei, in der am nächsten Tag veröffentlichten Pressemitteilung wurden dann unsere zwei Gewinner genannt und gefeiert. Die damit verbundene Invisibilisierung des Wettbewerbs und der vielen Arbeit, die auch in die vermeintlich erfolglosen Skizzen gesteckt wird, war für mich Anlass, über die Hochschulkommunikation in der nun anlaufenden heißen Phase der Exzellenstrategie nachzudenken. Motiviert ist der vorliegende Text darüber hinaus durch das am Rhine Ruhr Center for Science Communication Research (RRC) erarbeitete Programm und Ideal einer transparenten Wissenschafts- und Hochschulkommunikation, die nicht nur Fakten und Erfolge verkündet, sondern Wissen über das Wissenschaftssystem selbst, über das Innenleben der Forschung und über die Komplexität sozialer und politischer Zusammenhänge.
Vor diesem Hintergrund bietet es sich im konkreten Falle an, die Pressemitteilungen derjenigen Universitäten zu betrachten, von denen mindestens eine Antragsskizze ausgewählt wurde. Die groben Zahlen dazu sind seit der Entscheidung vom 1. Februar 2024 bekannt: 143 Antragsskizzen waren eingereicht worden, von diesen wurden 41 für einen Vollantrag ausgewählt; von 59 Universitäten konnten immerhin 39 eine Erfolgsmeldung herausgeben – was in der Tat alle getan haben. Das Format solcher Pressemitteilungen ist wenig aufregend, es handelt sich meistens um Hochschulkommunikation im Sinne der PR, nicht um Wissenschaftskommunikation, die wissenschaftliche Inhalte vermitteln will. Daran ist nichts auszusetzen, aber auch unter PR-Gesichtspunkten gibt es Spielraum für Kreativität und Transparenz: Es widerspricht nicht dem Genre der Erfolgsmeldung und des Eigenlobs, wenn zugleich der harte Wettbewerb, die Hintergründe und letztlich die Black Box des sozialen Systems der Wissenschaft, das diese Cluster produziert hat, dargestellt und nachvollziehbar gemacht werden.
Wie transparent darf und will die Hochschulkommunikation in diesem Kontext sein? Soll sie auch auf diejenigen Clusterinitiativen verweisen, die es nicht in die nächste Runde im Kampf um das Zertifikat „Exzellenzcluster“ geschafft haben? Dafür spräche, dass auch die „erfolglosen“ Initiativen Forschungsschwerpunkte und Erkenntnisinteressen der betreffen Universität repräsentieren. Mit anderen Worten: Eine transparent kommunizierende und an den Inhalten der Forschung der eigenen Wissenschaftler:innen interessierte Hochschulkommunikation müsste neben den erfolgreichen Antragsstellenden auch die anderen Player im Wettbewerb würdigen – so wie im Sport nicht nur die Medaillengewinner:innen im Fernsehen gezeigt werden. Konkret bedeutet das aus Perspektive des hier vorgeschlagenen Ideals guter Exzellenz-PR: Transparent wäre eine PM, die darauf verweist, ob bzw. dass es auch erfolglose Skizzen gab – und wenn ja, wie viele. Vollständig transparent wäre eine PM, die die erfolglosen Skizzen zusätzlich inhaltlich benennt und damit auf die an der betreffenden Universität ebenfalls relevanten Forschungsprofile aufmerksam macht.
Wie transparent waren nun, ausgehend von diesem Ideal, die Pressemitteillungen der Universitäten im Exzellenzrausch? Um es kurz zu sagen: wenig transparent. Etwa ein Drittel der analysierten PMs sind zumindest teilweise transparent, zwei Drittel dagegen beschränken sich auf die Nennung der Gewinner. Immerhin: Fünf Hochschulkommunikationsabteilungen haben innovativ auf vollständige Transparenz gesetzt und damit die deutlich interessanteren Pressemitteilungen publiziert (Goethe-Universität Frankfurt, Universität Giessen, Medizinische Hochschule Hannover, Universität des Saarlandes und Universität Siegen). Weitere sechs Universitäten haben transparent zumindest die Zahl der vorliegenden Initiativen genannt (Universität Bremen, TU Darmstadt, Universität Freiburg, Universität Hamburg, Universität Jena und Julius-Maximilians-Universität Würzburg).
Auffallend ist, dass sich unter den verbleibenden zwei Dritteln, die eine vergleichsweise intransparente Erfolgskommunikation bevorzugen, die meisten der bereits ausgezeichneten Exzellenzuniversitäten befinden. Verführt also der frühere Erfolg in der Exzellenzstrategie womöglich dazu, nun erst Recht nur noch Erfolge zu kommunizieren und die eigenen Strategieprozesse, Entwicklungen und vielleicht auch weniger erfolgreichen Initiativen unter Verschluss zu halten? Intransparenz wäre jedenfalls kein gutes Rezept für zukünftige Exzellenz.
Der Beitrag ist eine überarbeitete Fassung des erstmals am 03.02.2024 auf LinkedIn veröffentlichten Artikels.