Von David Kaldewey
11.05.2025
Am 22. Mai 2025 steht ein Ereignis an, das man als Super Bowl der deutschen Wissenschaftspolitik beschreiben könnte: Die Exzellenzkommission (sie heißt wirklich so) gibt die Entscheidung über die Förderung oder Nicht-Förderung von 98 Exzellenzclustern bekannt. Von diesen sind 57 bereits etabliert und beantragen eine Fortsetzung, weitere 41 wurden im Februar 2024 nach der Vorrunde aus 143 neuen Antragsskizzen ausgewählt und zum Vollantrag aufgefordert. Alle 98 nun konkurrierenden Clusterkonzepte haben also bereits einen harten Wettbewerb hinter sich und müssen nun für die nächste Runde die letzte Hürde nehmen.
Man rechnet mit etwa 70 Bewilligungen, aber diese Zahl ist doppelt unsicher: Einerseits, weil es sich um ein wissenschaftsgeleitetes Verfahren handelt, und nur diejenigen Initiativen gefördert werden sollen, die höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügen. Andererseits, weil es sich zugleich um ein politisches Verfahren handelt bzw. es je nach Resultat der wissenschaftlichen Begutachtung mehr oder weniger Spielräume für politische Entscheidungen gibt. Stark vereinfacht illustriert: Mal angenommen, 50 Anträge erhielten in der wissenschaftsinternen Begutachtung eine A-Bewertung, 30 eine B-Bewertung und der Rest eine C-Bewertung, dann wären die 50 A-Anträge gesetzt und über die 30 B-Anträge müsste die Exzellenzkommission entscheiden, die sich aus ausgewiesenen Vertreter:innen der Wissenschaft sowie den zuständigen Minister:innen aus Bund und Ländern zusammensetzt. In einem idealtypisch funktional differenzierten Prozess würde dann die Politik angeben, wieviel Geld vorhanden ist – und die Wissenschaft würde alle B-Anträge nach wissenschaftlicher Qualität sortieren und der Reihe nach diejenigen zur Förderung vorschlagen, für die dieses Geld ausreicht. Es ist aber auch denkbar, dass in der Grauzone der B-Anträge weitere Überlegungen, etwa zum regionalen Proporz oder zu den Sonderwünschen mancher Bundesländer, zur Geltung kommen, so dass am Ende eher mehr oder eher weniger Anträge durchkommen.
Spekulationen über die black box dieses Entscheidungsprozesses sind müßig und natürlich nicht vorhersehbar, noch weniger übrigens dadurch, dass eine Bundesministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, die ihr Amt erst vor zwei Wochen angetreten hat, sowie neue Landesminister:innen mit am Tisch sitzen werden. Die Öffentlichkeit wird am 22. Mai nur eine Liste mit geförderten Clustern erhalten, ergänzt durch das von den PR-Abteilungen der erfolgreichen Universitäten produzierte Bildmaterial mit den erfolgreichen Teams aus Universitätsleitungen und Wissenschaftler:innen.
Jenseits von dem Großereignis nimmt das ExStra-Blatt ein wenig Abstand und erinnert an die Frage, die die Exzellenzpolitik seit 20 Jahren begleitet: Wieviel Geld wird hier investiert, und was heißt eigentlich „viel“? Abbildung 1 illustriert, was Bund und Länder seit 2005 jährlich in die Exzellenzinitiative (ExIni) bzw. die Exzellenzstrategie (ExStra) investiert haben. Zusammengefasst über die vier bisherigen Förderphasen bedeutet das: Für die ExIni wurden zwei Pakete mit 1,9 Mrd € (2005–2012) und 2,7 Mrd € (2012–2019) geschnürt; für die ExStra ein erstes über ca. 3,7 Mrd € (2019–2026) und ein zweites über ca. 4,8 Mrd € (2026–2033). Davon übernehmen der Bund jeweils 75% und die Länder 25%. Aktuell sind das zusammen 533 Mio € pro Jahr (davon 385 Mio € für die Cluster), für die anstehende neue Phase 687 Mio € pro Jahr (davon 539 Mio € für die Cluster). Da die Exzellenzcluster für jeweils sieben Jahre bewilligt werden, wird am 22. Mai eine Summe von ca. 3,8 Mrd € verteilt.

Für jeden einzelnen Cluster bedeutet eine Bewilligung ein Fördervolumen von 3 bis 10 Mio € pro Jahr. Wieviel jeder Cluster bekommt, wird nicht öffentlich kommuniziert. Man kann auf Basis der offiziellen Daten deshalb nur den Durchschnittswert für die aktuelle Periode ausrechnen: Bei den gegenwärtig 57 Clustern, die jährlich mit 385 Mio € gefördert werden, bleiben im Schnitt 6,8 Mio € pro Cluster – allerdings beinhaltet diese Summe auch die Programmpauschale von 22%, die an die jeweils verantwortlichen Universitäten geht. Tatsächlich ist es mit den Programmpauschalen bzw. „Overheads“ noch etwas komplizierter: Zusätzlich gibt es nämlich die sogenannte Universitätspauschale von 1.000.000 € für den ersten Cluster, 750.000 € für den zweiten und 500.000 € für alle weiteren. Die „Exzellenzuniversitäten“ allerdings, die in der zweiten Linie der ExStra mit weiteren ca. 12 Mio € pro Jahr gefördert werden, erhalten diese Pauschale nicht. Insgesamt lassen sich die Overheads aus der ExStra deshalb nicht leicht berechnen, aber man kann überschlagen, dass sie sich durch diese zusätzlichen Strategiemittel auf über 30% erhöhen. Dennoch dürften sie kaum kostendeckend sein für die Universitäten, die in jeden Cluster nicht nur viel Herzblut, intellektuelle Energie und Zeit, sondern auch konkrete Ressourcen, strategische Berufungen, Verwaltungspersonal und Raumkapazitäten investiert haben.
Ob es am Ende des Tages um „viel“ Geld geht ist eine Frage des Maßstabs, der mit ein paar Vergleichen greifbar gemacht werden kann. Das Haushaltsvolumen aller deutschen Hochschulen im Jahr 2023 betrug laut Statistischem Bundesamt 75,2 Mrd. €. Die darin enthaltenen 533 Mio € Exzellenzförderung stehen also gerade mal für 0,7% der Ausgaben für Hochschulen in Deutschland. Eine alternative Perspektive ist das relative Gewicht des Exzellenzgeldes im gesamten Drittmittelaufkommen einer Universität. Betrachten wir hier beispielhaft zwei der in der Clustereinwerbung besonders erfolgreichen Universitäten: In Bonn gehen von ca. 207 Mio € Drittmittelaufkommen ca. 25% auf die ExStra zurück, in Hamburg sind es ca. 12% von ca. 311 Mio € (jeweils geschätzt auf Basis der öffentlich verfügbaren Daten, Stand 2023) . Das sind signifikante Zahlen, doch sollte man bei der Interpretation auch im Kopf behalten, dass selbst in diesen Fällen das meiste, was an einer Exzellenzuniversität geforscht, gelehrt und geleistet wird, nicht durch die ExStra gefördert wird.
Eine nochmal andere Perspektivierung entsteht, wenn man die Exzellenzmittel in Relation setzt zu wiederum altbekannten Finanzierungslücken an anderen Stellen des Hochschulsystems. Eine im wörtlichen Sinne große Baustelle wäre zum Beispiel der Sanierungsstau im Hochschulbau, der zuletzt auf „mindestens“ 74 Mrd. € geschätzt wurde. Hier drängt sich ein hochschulpolitisches Gedankenexperiment auf: Man stelle sich vor, die Politik käme angesichts der aktuellen Debatten um Infrastrukturdefizite der Bundesrepublik auf die Idee, die Exzellenzstrategie durch eine Hochschulbaustrategie zu ersetzen, mit dem Ziel, in einer ähnlich langfristigen Initiative – 14 Jahre – die notwendige bauliche und räumliche Infrastruktur für Forschung und Lehre in Ordnung zu bringen. Dafür wären, grob überschlagen, über 5 Mrd. € pro Jahr notwendig (74 Mrd. € /14 Jahre), also die zehnfache Summe dessen, was die „Exzellenz“ kostet. In diesem Vergleichshorizont kann man vermuten, dass die Attraktivität der ExStra auch darin liegt, dass man mit relativ wenig Geld viel Glanz erzeugt – unabhängig davon, dass man als Wissenschaftler:in oder Studierende:r an keiner deutschen Hochschule (ob exzellent oder nicht exzellent) sicher sein kann, zukünftig über funktionsfähige Räumlichkeiten und Infrastrukturen zu verfügen.