Kolumne „Besser wissen“, Folge 7: Keine Studien, sondern Werbung

Pseudowissenschaftliche Erhebungen und Umfragen sind oft nur PR – viele Redaktionen haben das aber noch immer nicht verstanden.

Bis 2015 hat er als „Professor Holger“ noch regelmäßig Wissenschaftsfragen auf WDR-1Live beantwortet, jetzt analysiert RRC-Mitglied Holger Wormer in unserem Blog sowie im Berliner Tagesspiegel regelmäßig Interessantes, Seltsames und manchmal sogar Absonderliches aus der Welt der Wissenschaftskommunikation.


Viele Witze beginnen mit den Worten: „Treffen sich ein…“. Vergangene Woche ging der Witz so: Treffen sich eine Pressereferentin, zwei Media Relations-Beauftragte und eine Online-PR-Frau, schreiben eine bunte Broschüre unter dem Label „Studie“ – und sogar Leitmedien berichten darüber so, als handle es sich um eine belastbare wissenschaftliche Untersuchung.

Zweifellos handelte es sich bei dem Studien-Thema Männergewalt um ein wichtiges Anliegen. Aber warum kümmert kaum jemanden die mangelnde wissenschaftliche Kompetenz und Befangenheit des Autorenteams, das qua Amt Themen ihrer Hilfs-Organisation medienwirksam platzieren soll? Und wen kümmert die fragwürdige Qualität der Daten des beteiligten kommerziellen Umfrage-Instituts? Schließlich passt die Botschaft ins gewünschte Bild und die NGO bekommt ihre Werbeplattform.

Während die Autorinnen die Korken knallen lassen können über ihren Medien-Coup, findet sich kurz zuvor ein weiteres Beispiel für eine PR-Studie. In diesem Fall sollte ein gutes Gefühl verkauft werden, auch wenn die angebliche „Glücks-Studie“ nicht Glück, sondern die Zufriedenheit in Großstädten untersuchte.

Trost für Berliner, die angesichts eines vierten Platzes hinter München womöglich noch in Schockstarre verharren: Auch diese Studie verdient nur das Prädikat Werbematerial. Die Befragten in Berlin (Durchschnittswert 6,88) und München (6,9) haben auf einer Skala von 0 bis 10 fast identisch geantwortet; Messfehler sind hier so groß, dass sich aus dem Unterschied von 0,02 seriös keine Platzierung vergeben lässt.

Das müssten auch die Wissenschaftler der Uni Freiburg wissen, bei denen ein Glücksspielanbieter die PR-Studie eingekauft hat. Mit solchen Arbeiten beschädigen sie das Ansehen seriöser Forschung. Für Medien und ihre Nutzerinnen und Nutzer bleibt das Fazit: Studien, die keinen ordentlichen wissenschaftlichen Prüfprozess (auch „peer review“) durchlaufen haben, sind oft reine Werbebotschaften. Sie gehören selten in die Nachrichten, sondern fast immer in den Papierkorb.

Die Kolumne ist zuerst im Tagesspiegel erschienen.