Obgleich sie sich mit sehr ähnlichen Gegenständen und Fragestellungen beschäftigen, haben Wissenschaftskommunikationsforschung (SCS) und Science and Technology Studies (STS) lange den Austausch gescheut. Dabei drängen sich viele Fragen geradezu auf: Wo gibt es „common ground“ zwischen den Forschungskulturen? Welche Kenntnisse über das Wissenschaftssystem sind notwendig, um wissenschaftliches Wissen zu beurteilen, zu kommunizieren und einzuordnen zu können? Die internationale Konferenz „Nowhere(to)land? What Science Studies Contribute to Science Communication“, ausgerichtet durch das Rhine Ruhr Center for Science Communication Research (RRC) in Kooperation mit dem Käte Hamburger Kolleg Cultures of Research (c:o/re), widmete sich diesem disziplinären „Niemandsland“ und den Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation. Die Konferenz fand am Forum Internationale Wissenschaft (FIW) der Universität Bonn unter der übergeordneten Fragestellung „What Science Studies Contribute to Science Communication“ statt.
Gleich am ersten Konferenztag fanden zwei öffentliche Keynotes statt: Sarah Davies von der Universität Wien sprach über „Science Communication as World Making“, während Martin Bauer von der London School of Economics and Political Science einen Vortrag über „The Language Games of Science Communication“ hielt und weitere Denkanstöße zu linguistischen und rhetorischen Traditionslinien in der Wissenschaftskommunikation lieferte.
Abseits der Keynotes war die Konferenz entlang von Workshops strukturiert, die das „Niemandsland“ zwischen SCS und STS auf verschiedene Weisen untersuchten. So hielten zum Beispiel im Rahmen des Workshops „Art-based Conversations“ drei Expertinnen Impulsvorträge zu verschiedenen Schwerpunkten: Das Spektrum reichte von Informationsdesign über künstlerisch-kreative Projekte zum Klimawandel bis hin zu den Auswirkungen von Wissenschaftskommunikation im Zusammenhang mit öffentlichen Vorstellungen eines europäischen Raumes.
Ein anderer Workshop zur Kartierung der Verflechtung von Science and Technology Studies und Wissenschaftskommunikationsforschung untersuchte die wichtigsten Zeitschriften in diesen Communities. Die Teilnehmenden analysierten unter anderem Publikationsdaten und diskutierten Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Dabei wurden beispielsweise einflussreiche Autor:innen, lokal zitierte Werke und Ko-Zitationsnetzwerke identifiziert, die verschiedene intellektuelle Netzwerke repräsentieren.
Eine Konferenz, die sich mit Kommunikation und Kommunikationsforschung befasst, kommt selbstverständlich nicht ohne technologische Themen aus. Die Präsentationen im Rahmen des Workshops „Technological futures and vision assessments“ thematisierten die Kommunikation von technologischen Zukünften, die umstrittenen Bedeutungen von KI und den Einsatz von Serious Games für verantwortungsvolles Handeln. Diskutiert wurde ebenfalls die Rolle des Schreibens, der Narrative, der Vorstellungskraft in Spielstrukturen, des Konzepts des Hypes und der europäischen Werte im Technologiediskurs.
Genau wie Tech-Themen war auch „Post-Truth“ ein Stichwort, über das gesprochen werden musste, denn die damit zusammenhängenden Kontroversen betreffen immer auch die Wissenschaftskommunikation. So betonten die Konferenzteilnehmenden unter anderem die Notwendigkeit eines symmetrischen Ansatzes, um die widersprüchlichen Ansichten zu behandeln und sprachen sich für mehr Diplomatie aus.
Eine der besprochenen Kontroversen war in diesem Zusammenhang die Klimakrise. Hier herrscht zwar wissenschaftlicher Konsens, doch die disziplinären Unterschiede innerhalb „der Wissenschaft“ verhindern, so die Grundthese, ein einheitliches Auftreten und ermöglichen es verschiedenen politischen Seiten, Belege zu finden, die ihre jeweilige Position zu legitimieren scheinen. Durch politische Narrative wird der Klimawandel somit fälschlicherweise nicht als „wicked Problem“, sondern als „lösbares Problem“ wahrgenommen.
Wissenschaftsjournalismus, professionelle Wissenschaftskommunikatoren und „Citizen-Science-Kommunikation“ werden deshalb immer wichtiger. Mit diesen aufstrebenden Forschungsfeldern befasste sich daher auch ein eigener Workshop. Unter anderem präsentierten die RRC-Mitglieder Frauke Domgörgen und Tobias Kreutzer ihre Forschungsergebnisse zu den vorherrschenden Bilder und Vorstellungen von Wissenschaft bei wissenschaftsjournalistischen Akteur:innen. Die RRC-Mitglieder Pascal Berger, David Kaldewey und Oliver Ruf stellten schließlich eine neue Form wissenschaftlicher Kommunikation durch öffentlichkeitswirksame Laien mit punktueller Expertise vor.
Insgesamt konnte die Konferenz die Vielfalt der Ansätze und aktuellen Themen in der Wissenschaftskommunikation verdeutlichen. Für das Netzwerken und den Austausch war die Konferenz genau der richtige Ort. Zwar tasteten die Teilnehmenden und RRC-Teammitglieder sich weiterhin Stück für Stück durch ein Neuland vor, aber die Konferenztage konnten die weißen Stellen auf der Landkarte deutlich verkleinert und alle auf neue Wege hinweisen.