Von Tobias Kreutzer
Die Ankündigung von Meta-CEO Mark Zuckerberg, dem professionellen Faktencheck auf seinen Plattformen ein Ende setzen zu wollen, sorgte Anfang 2025 für Empörung in Europa. Zuckerberg warf der EU vor, sie würden durch ihre Gesetzgebung „Zensur institutionalisieren“ und machte keinen Hehl daraus, dass Meta sich diesen empfundenen Einschränkungen „gemeinsam mit Präsident Trump“ entgegenstellen wolle. In seinem knapp fünfminütigen Statement machte Zuckerberg dabei deutlich, dass er das Prinzip „Faktencheck“ mittlerweile als Auswuchs einer fremden, linken Ideologie betrachte – und ließ dabei wenig Zweifel, dass er dieser aus einer dezidiert rechten Perspektive entgegentreten wolle, als er unter anderem eine laxere Moderation potentiell verletzender oder hetzerischer Wortmeldungen zu Migration und Gender in Aussicht stellte.
Über Ideologie ist gesagt worden, dass sie wie Mundgeruch immer nur beim Gegenüber festzustellen sei. Über den Kapitalismus ist gesagt worden, dass er am Ende des Tages immer den Schulterschluss mit dem Faschismus suchen wird. In den Veränderungen bei Meta scheinen sich beide Aussagen, zumindest durch die ebenfalls nicht ideologiefreie Brille des Verfassers dieses Textes betrachtet, derzeit zu bestätigen.
Denn auffällig sind dabei die kulturkämpferische Umdeutungsbestrebungen der Tech-Milliardäre: Wo einst linke Intellektuelle wie Horkheimer & Adorno „technische Rationalität“ als „die Macht der ökonomisch Stärksten über die Gesellschaft“ (Horkheimer & Adorno, 2012 [1969], S. 129) kritisierten, drehen Konzerne wie Meta diese Kritik nun um. Heute ist es Zuckerberg, der behauptet, dass Faktenchecks nicht der Wahrheit dienen, sondern ein Unterdrückungsinstrument linker Hegemonie seien. Damit wiederholt er das alte Argument der Kritischen Theorie – nur eben aus einer Position der ökonomischen Macht selbst. „Was und wie sie es sagen, soll an der Alltagssprache kontrollierbar sein, wie im logischen Positivismus“ (Horkheimer & Adorno, 2012 [1969], S. 137), hätte so auch in Zuckerbergs Statement Platz gefunden – nur diesmal gegen eine vermeintliche linke Meinungsdiktatur gerichtet. Ist also Positivismus-Kritik plötzlich rechts? War Hitler ein Linker, wie die AfD-Chefin in der simulierten Form eines „Interviews“ mit Elon Musk behauptete? Wer unterdrückt hier wen und haben Aussagen und Dinge überhaupt noch irgendeine Bedeutung?
Eine Kapitulation vor dieser großflächigen Umdeutung wäre fatal. Denn ob man sie so nennt oder anders: Die „Kulturindustrie“ sitzt in der zweiten Trump-Regierung in Form von Big Tech mit am Tisch. Über Nacht haben Elon Musk, Jeff Bezos und Bill Gates ihren Liberalismus so lautlos aktualisiert wie die Software ihrer Smartphones. Unter dem Label „Free Speech“ schlägt dieser Liberalismus nun eine „autoritäre“ Richtung ein (Amlinger & Nachtwey) und richtet sich global gegen kritisches und aufklärerisches Denken.
Dass Journalismus und Wissenschaft dabei ganz oben auf der Abschussliste stehen, zeichnet sich schon seit längerem ab. Bereits im Oktober verzichtete die von Jeff Bezos übernommene Washington Post erstmals seit Jahrzehnten auf eine Wahlempfehlung für die US-Präsidentschaftswahl. Alice Weidel, für die Elon Musk in erheblichem Maße über seine sozialen Netzwerke wirbt, versprach auf dem AfD-Bundesparteitag schon einmal vorsorglich, dass man in einer Machtposition „Gender-Studies-Professoren“ [sic!] „rausschmeißen“ werde. Mit den neuen Ankündigungen bei Meta stehen die Faktencheck-Kooperationen, die das Unternehmen auch in Deutschland mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) und dem Investigativ-Portal Correctiv durchführt, vor einer ungewissen Zukunft.
Unabhängig von der eigenen individuellen politischen Einstellung sollten Forschende und Journalist:innen sich auch deshalb darauf einigen, dass sie immer kritisch sein wollen. Angesichts einer sich anbahnenden beispiellosen Machtkonzentration an den Schnittstellen des Wissens kann diese Kritik nur eine Richtung kennen: nach oben, adressiert an Big-Tech-Oligarchie und rechtsautoritäre Machtpolitik statt an ihre mit viel Kalkül konstruierten „Wokeness“-Strohmänner.
Zitierte Literatur
Horkheimer, M & Adorno, T. W. (2012). Dialektik der Aufklärung. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag. Erstauflage: 1969.